Am Polytechnikum Riga stand die
Chemieausbildung auf niedrigem Niveau. Erst Wilhelm Ostwalds Bemühungen um eine
Verbesserung der Studienbedingungen hatten mit dem Bau eines neuen Institutsgebäudes
nach dessen Vorstellungen Erfolg. Dennoch sind nur wenige Absolventen bekannt,
die nach einem zusätzlichen Studium am Leipziger Physikalisch-chemischen
Institut als Wissenschaftler arbeiteten, denn es dominierten dort die
Bedürfnisse der russischen chemischen Industrie.
An der Universität Leipzig konnte Wilhelm
Ostwald im Institut für physikalische Chemie sehr viel stärker seinen
wissenschaftlichen Interessen nachgehen. Sowohl die Vermittlung der Theorie als
auch das Experimentieren im Laboratorium waren auf neue Forschungsergebnisse
ausgerichtet. Wilhelm Ostwald gelang es nicht nur, die wissenschaftlichen
Arbeiten an seinem Institut auf die wichtigsten Probleme der physikalischen
Chemie zu konzentrieren, sondern eine eigene wissenschaftliche Schule zu begründen,
die um die Jahrhundertwende Weltgeltung besaß.
Das Physikalisch-chemische Institut der Universität Leipzig 1901
Dazu hat Carl Gerhard Spilcke - Liss in
der Dissertation „Der Wirkungskreis von Wilhelm Ostwalds Leipziger Schule
der physikalischen Chemie" eine umfassende Studie vorgelegt. Nach seinen
Ermittlungen umfasst die wissenschaftliche Schule des Gelehrten 352 Mitglieder,
davon werden von ihm 128 Schüler als unmittelbare, und 224 als Schüler im
weiteren Sinne eingeordnet. Eine Auswertung der Promotionsakten habe ergeben,
dass von 1887 bis 1906 148 Promotionsverfahren und zehn Habilitationen unter
Wilhelm Ostwalds Leitung stattfanden. Ostwald habe Schüler aus 30 Nationen
betreut, damit betont der Autor den internationalen Charakter dieser
wissenschaftlichen Schule. Spilcke - Liss weist nach, dass 157 Hochschullehrer
aus 28 Nationen bei Ostwald studierten.
(vgl. Spilcke - Liss, Carl G.: Der
Wirkungskreis von Wilhelm Ostwalds Leipziger Schule der physikalischen Chemie /
Hrsg. Horst Remane. Freiberg: Drei Birken, 2009 (Beiträge zur Geschichte der
Pharmazie und Chemie 2)).
Zu
den bekanntesten gehören:
·
Jacobus Henricus van 't Hoff (1852-1911), Nobelpreisträger 1901
·
Svante August Arrhenius (1859-1927), Nobelpreisträger 1903
·
Walther Nernst (1864-1941), Nobelpreisträger 1920
·
Theodore William Richards (1868-1928), Nobelpreisträger 1914
·
Fritz Pregl (1869-1930), Nobelpreisträger 1923
·
Ernst Beckmann (1853-1923), Professor, Direktor des Laboratoriums für angewandte Chemie in
Leipzig und ab 1912 Direktor des neu
gegründeten
Kaiser-Wilhelm-Institutes für Chemie in Berlin-Dahlem
·
James Walker (1853-1935), Professor
für Chemie an der Universität Edinbourgh
·
Julius Wagner (1857-1924), Professor für Chemiedidaktik an der
Universität Leipzig
·
Georg Bredig (1858-1944), Professuren für Chemie an mehreren
Hochschulen
·
František Wald (1861-1930), Professor für Chemie in Prag
·
Paul Walden (1863-1957), Professuren für Chemie in Riga, St. Petersburg,
Rostock
·
Robert Luther (1868-1945), Professuren für Photochemie in Leipzig,
Dresden
·
Frederick G. Donnan (1870-1956), Professuren für physikalische Chemie in Liverpool, London
·
Max Bodenstein (1871-1942), Professuren für physikalische Chemie in Leipzig, Hannover, Berlin
·
Carl Benedicks (1875-1958), Professuren
für Chemie in
·
Eberhard Brauer (1875-1958), Dr. Assistent von Wilhelm Ostwald
·
Niels Bjerrum (1879-1958), Professor
für Chemie an der Landwirtschaftshochschule Kopenhagen
·
Hans Kühl (1879- 1969), Professor für Chemische Technologie der Baustoffe sowie Zement- und
Mörtelkunde an der TU Berlin
·
Arthur Amos Noyes (1866-1936), Professur für theoretische Chemie am Massachusetts Institute of
Technology Boston
·
Werner von Bolton (1868-
1912), Werkstoffwissenschaftler, Leiter des zentralen Laboratoriums von Siemens
& Halske,
er entdeckte die Vorzüge von Tantal für die
Herstellung von Glühfäden
·
Mordko Herschkowitsch (1868-1932), Dr.
Chemiker bei C. Zeiss Jena
· Alwin Mittasch (1869-1953), Professor, Forschungsleiter BASF Ludwigshafen
·
Eugene C. Sullivan (1872-1962) Dr., Corning–Glaswerke, entwickelte das PYREX-Glas
·
Alfred Genthe (1882-1943), Dr. Industriechemiker Worms, San
Franzisko
·
Theodor Paul (1862-1928), Professur für Pharmazie in München,
Leiter der „Deutschen Forschungsanstalt
für Lebensmittelchemie“
·
Oscar Gros (1877-1947), Pharmakologe, Professuren in Leipzig, Halle, Köln, Kiel
·
Ivan Plotnikow (1878-1955), Photochemiker, Professur in Moskau.
Nach 1906 lebt und wirkt Wilhelm Ostwald
in Großbothen. Ein in sich geschlossenes wissenschaftliches Arbeitsgebiet nimmt
er erst wieder um 1914 mit der Farbenlehre in Angriff. Eine wissenschaftliche
Schule im engeren Sinne entsteht zwar nicht, aber der Gelehrte gewinnt einige
Persönlichkeiten für seine Farbenlehre. Hierfür stehen: Robert Haller,
Professor in Dresden; Paul Krais, Professor in Dresden; Eugen Ristenpart,
Professor in Chemnitz, Lehrer für die Textil- und Färbereiindustrie; Rudolf Dorias
in Chemnitz, Willi Strasser in Leipzig und Gerhard Streller in Leisnig.
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