Aus der Geschichte des Landsitzes "Energie"

Am 25. 07. 1901 erwirbt Wilhelm Ostwald von einer Leipziger Familie das Grundstück in Großbothen mit einem kleinen Landhaus und dem Hausmeisterhaus am Grundstückseingang.

 

1904 wird der Name „Energie“ über dem Hauseingang angebracht. Die Namenswahl dokumentiert die Bedeutung der Energie in Ostwalds Gedankenwelt.

Während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten 1905/1906 lässt er das Gebäude erweitern, aufstocken und mit einem Turm versehen.

 

1911 wird eine Windturbinenanlage am Rand des Grundstücks errichtet. Sie pumpt Trinkwasser aus einem Schachtbrunnen in einen Hochbehälter am höchstgelegenen Punkt des Grundstücks.

 

1912 erhält sein Sohn Wolfgang Ostwald das Waldhaus als Sommerwohnung.

 

1914 baut der Münchener Architekt Wilhelm das Haus Dowa (jetzt Glückauf) für die Familie Walter Ostwalds.

 

1916 entsteht ein Laborgebäude, das später als „Werk“ bezeichnet wird, weil dort ab 1920 Wilhelm Ostwalds Energie-Werke GmbH, Abt. Farblehre, Anschauungs- und Schulungsmaterial zur Farbenlehre produzierten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lageskizze der einzelnen Häuser

 

 

 

 

 

1923 Umstellung der Beleuchtungsanlage im Haus Energie. Oberhalb des Hauses wird in einem Schuppen ein eigenes „Elektrowerk" installiert. Ein Benzinmotor treibt einen Generator an, der zwei Sätze zu je 15 Batterien auflud, die Strom mit einer Spannung von 60 V lieferten.

 

1927 erfolgt der Anschluss an die örtliche Elektroversorgung.

 

1932 Nach dem Tod von Wilhelm Ostwald verzichten die Kinder auf ihr Erbteil mit der Absicht, den Nachlass des Wissenschaftlers ungeteilt der Nachwelt zu erhalten. Die Verwaltung wird der gelähmten Tochter Grete übertragen. Sie sichtet und ordnet den umfangreichen schriftlichen Nachlass und richtet das Wilhelm-Ostwald-Archiv ein.

 

1943 wird die grundstückseigene Wasserversorgung modernisiert.

 

1945 Der Nachlass erleidet am Ende des zweiten Weltkrieges keine Verluste, aber der Landsitz befindet sich in einer schwierigen materiellen Situation.

 

1952/1953 wird es, trotz vielfältiger Hilfe ehemaliger Schüler Ostwalds, insbesondere aus den Vereinigten Staaten, immer schwieriger, den Landsitz und den Nachlass zu erhalten. Die angestrebte Übernahme durch die Universität Leipzig kommt nicht zu Stande. Die Ursachen dafür liegen u. a. in ideologischen Vorbehalten gegen den nach Einschätzung Lenins „großen Chemiker" und „verworrenen Philosophen". Andererseits waren auch der Wunsch nach Fortsetzung der Arbeiten zur Farbenlehre und die Umstände des Ausscheidens aus der Universität Leipzig hinderlich.

 

1953 schlägt die Regierung der DDR den Erben die Schenkung des Nachlasses und des Landsitzes an die Berliner Akademie der Wissenschaften als Chance vor, den Bestand und seine anhaltende Nutzung für die Wissenschaft zu sichern. In einem Brief des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl an die Schenker heißt es:

„Der Beschluss des Präsidiums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, anlässlich des 100. Geburtstages des großen deutschen Naturwissenschaftlers Wilhelm Ostwald am 2. September 1953 das Haus „Energie" in Großbothen als Wilhelm-Ostwald-Archiv und Forschungsstätte in die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu übernehmen und in diesem Hause ein Forschungsinstitut für die Farbenlehre einzurichten, wird zur Kenntnis genommen und bestätigt. Die für 1953 zur Durchführung dieses Beschlusses notwendigen Mittel sind aus Einsparungen des Haushaltes der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu entnehmen.

Begründung:

Die Nachkommen von Wilhelm Ostwald, seine 71 jährige Tochter Grete Ostwald und sein 64 jähriger Sohn Carl Otto Ostwald haben ihr Einverständnis erklärt, das Besitztum einschließlich des Nachlasses von Wilhelm Ostwald und des Laboratoriums der Deutschen Akademie der Wissenschaften kostenlos zu übereignen. Es wurde mit den genannten Erben eine Übereinstimmung dahingehend erzielt, dass auf der Grundlage des dort befindlichen Archivs von Wilhelm Ostwald und des Forschungslaboratoriums ein Forschungsinstitut für Farblehre errichtet wird, dass die allgemeine Farblehre pflegt, weiterentwickelt und insbesondere die Anwendung der Forschungsergebnisse in der Industrie fördert. Daneben ist eine Gedächtnisstätte oder ein Museum zum Andenken an Wilhelm Ostwald und zur Pflege seines literarischen Nachlasses zu errichten, wobei neben der Schaffung einer öffentlich zugänglichen Gedächtnisstätte besonderer Wert auf die Herausgabe des Nachlasses zu legen ist.“

 

1954 richtet die Akademie der Wissenschaften einen Forschungskomplex mit den beiden Teilen: Ostwald-Archiv und Farbenforschung ein. Der Landsitz wird an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen und Bau- und Instandsetzungsarbeiten ausgeführt. Mit dem Garagentrakt entsteht der erste Neubau nach Wilhelm Ostwalds Tod auf dem Gelände.

 

Am 18. Dezember 1957 kritisiert die Parteizeitung „Neues Deutschland" in einem ganzseitigen Artikel Professor Friedrich Herneck für dessen Forderung nach einer sachlichen Einschätzung Wilhelm Ostwalds.

 

1968 übernimmt die VVB Lacke und Farben die Rechtsträgerschaft über die Immobilie  und die Farbenforschung, die in Großbothen Autolacke entwickelte. Die Akademie der Wissenschaften bleibt als Mieter in dem auf fünf Räume reduzierten Ostwald-Archiv präsent.

 

1971 beendet die einzige Mitarbeiterin des Archivs aus Altersgründen den Dienst. Die Archiv-Räume werden geschlossen.

 

1973 wird für die Medien anlässlich des 120. Geburtstages Wilhelm Ostwalds die Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte als wissenschaftlich-kulturelles Zentrum im Muldental eingeweiht und am nächsten Tag wieder geschlossen. Ein Dauerbetrieb ist nicht vorgesehen. Die Akademie bringt wesentliche Teile des schriftlichen Nachlasses nach Berlin.

 

1975 organisiert Professor Hermann Berg aus Jena das erste Großbothener Gespräch.

 

1982 führte ein Artikel in der amerikanischen CHEMTECH den Landsitz „Energie“ unter den ersten chemiehistorischen Adressen Europas an.

 

1988 übernimmt das Kombinat Chemieanlagenbau Leipzig-Grimma die Rechtsträgerschaft über den Landsitz „Energie“ und plant ein internationales Wissenschaftlerzentrum in Großbothen.

 

1990 fällt die Rechtsträgerschaft wieder an die Akademie der Wissenschaften. Der Verein der Freunde und Förderer der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte wird gegründet.

 

1991 werden erste Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Sanierung des Landsitzes genehmigt und Mittel aus dem kulturellen Infrastrukturprogramm der Bundesregierung bewilligt.

 

Bis 1994 können die Häuser Energie, Glückauf und Werk vollständig oder teilweise saniert werden. Im Dezember 1994 wird der Landsitz „Energie“ dem Eigentum des Freistaates Sachsen zugeordnet.

 

1995 beabsichtigt ein potentieller Investor den Bau eines 100-Betten-Hotels in der 2.000-Seelengemeinde Großbothen. Er erklärte sich bereit, sein Hotel mit Ostwalds Möbeln und eventuell einigen Gemälden zu schmücken. Der „Rest" des Nachlasses sei für ihn uninteressant. Die denkmalgeschützte Altbausubstanz sei zum Abriss vorgesehen, „damit es sich rechnet". Eine Unterschriftensammlung, internationale Proteste und ein breites Medieninteresse bewirkten, dass dieses Vorhaben scheiterte. Die Regierung des Freistaates Sachsen erklärte aber, dass jetzt und künftig keine Landesnutzung vorgesehen sei und die Absicht, den Landsitz zu veräußern zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben wäre.

 

2003 deutet sich im Vorfeld des 150. Geburtstages von Wilhelm Ostwald ein Umdenken der Verantwortlichen an. Diese Hoffnung schien nicht unbegründet, hatte doch die Universität Leipzig bereits 2001 im „Informationsdienst Wissenschaft" verkündet, der Rektor erwarte eine Übergabe des Landsitzes an die Universität im Jahre 2003.

 

14. Dezember 2004: Einstellung der Finanzierung für das Museum durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen.

 

31. Januar - August 2005: Schließung des Archivs. Frau A.-E. Hansel führt zwischenzeitlich das Archiv stundenweise weiter.

Als Reaktion auf die Proteste aus dem In- und Ausland kommt es zu mehreren Gesprächen mit dem SMWK und der Staatskanzlei. Die Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft legte ein Konzept vor, das die Ideen und Vorstellungen des Vereins, der Universität Leipzig und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften umfasste. Die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Barbara Ludwig, und Prof. W. Reschetilowski, als 1. Vorsitzender der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen vereinbarten eine konstruktive Partnerschaft. Der Leiter der Landesstelle für Museen, Dr. Voigtmann, stellte eine eigene museale Konzeption vor und bereitet die Übergabe der Gedenkstätte an das Landratsamt Grimma vor.

 

1. September 2005: Auszeichnung der Wohn- und Wirkungsstätte in Großbothen als fünfte „Historische Stätte der Chemie“ Deutschlands.

 

30. März 2006: Übergabe der musealen Räumlichleiten an das Landratsamt Grimma.

 

April 2006 bis 31.12.2007: Dr. Ulf Molzahn leitet das Museum. Das museale Konzept von Herrn Dr. Voigtmann wird umgesetzt. Gleichzeitig beginnen erste Sanierungsarbeiten im Haus „Energie“ und im Waldhaus.

 

2007: Das SMWK richtet eine Arbeitsgruppe zur weiteren Ausarbeitung eines Konzeptes und der Suche nach weiteren Nutzungsmöglichkeiten der Gedenkstätte ein. Nach der Entscheidung des Sächsischen Ministeriums für Finanzen, die Gedenkstätte unter Auflagen abzugeben, wird durch die Stiftungskommission der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft mit ihren Mitgliedern W. Reschetilowski, H. Papp, W.-D. Einicke und W. Hönle) ein eigenes Konzept für die Übernahme der Gedenkstätte beim Sächsischen Immobilienmanagement in Leipzig eingereicht.

 

1. Januar 2008: Frau Prof. Sabine Tanz übernimmt die Leitung des Museums.

 

17. Oktober 2008: Kündigung des Nutzungsvertrages mit der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft für die Häuser „Glückauf“ und „Werk“ sowie von Räumen im Haus „Energie“ zum 31. Dezember 2008 durch das Sächsischen Immobilienmanagement.

 

29. Dezember 2008: Übergabe der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte an die gemeinnützige Gerda und Klaus Tschira Stiftung.

 

1. Januar 2009: Gründung des „Wilhelm Ostwald Parks“.

 

 

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